TRINKWASSER: Ärger, Erleichterung und ganz viel Skepsis

 

17.03.2013 - 13:30

Hemer. Neun Wochen lang badeten die Kinder sicherheitshalber bei der Oma außerhalb des „Sperrgebietes“, raubte das ständige Abkochen viel Zeit, wurden Unmengen an Wasserflaschen geschleppt: Sehnsüchtig hatten die Landhauser seit dem 12. Januar - und seit dem 14. Februar auch die Beckeraner - auf die Aufhebung des Abkochgebotes gewartet. Am Samstag um 11 Uhr kam mit der letzten Wasseranalyse im Hygieneinstitut Gelsenkirchen die Entwarnung. Nachdem alle Probenergebnisse seit dem 25. Februar keine Bakterien oder Parasiten mehr aufgewiesen hatten, gab das Gesundheitsamt grünes Licht für die Rückkehr in den Regelbetrieb.

3000 Haushalte informiert
Über 50 Feuerwehrleute und Pfadfinder zogen nur wenige Minuten nach der positiven Nachricht durch die betroffenen Ortsteile, um rund 3000 Haushalte per Handzettel zu informieren. In dem Infoblatt wurde vor allem auf das fünfminütige Spülen aller Leitungen hingewiesen. Der Flyer enthielt außerdem genaue Anleitungen für den Umgang mit Kaffeemaschinen, Waschmaschinen, Spülmaschinen und Schwimmbadanlagen.

„Uns allen fällt ein dicker Stein vom Herzen, dass diese nervenaufreibende Phase endlich vorbei ist. Wir freuen uns mit den betroffenen Bürger, die wieder in ihren normalen Alltag zurückkehren können“, sagte Stadtwerke-Geschäftsführerin Monika Otten, die zugleich anfügt. „Das Ende des Abkochgebots bedeutet jedoch nicht, dass wir dieses Thema jetzt zu den Akten legen. Wir werden weiter alles daran setzen, sämtliche Hintergründe aufzuklären und die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftigen Entscheidungen berücksichtigen.“

Dass die Ursache nicht eindeutig ermittelt werden konnte, ist der größte Kritikpunkt der Bürger. Um möglichst schnell wieder sauberes Wasser liefern zu können, hatten die Stadtwerke zeitgleich mehrere mögliche Quellen der fäkalen Verunreinigungen abgestellt. Dazu zählten falsch angeschlossene Brauchwasseranlagen, undichte Hydranten und ein Rohrbruch in der Nähe eines Abwasserkanals. „Bei der sorgfältigen und systemtischen Suche haben wir einiges gefunden und unverzüglich abgestellt. Wir können die Ursache aber nur nach Wahrscheinlichkeit beurteilen“, so der technische Leiter Dieter Gredig. Es sei eine strapaziöse Zeit für die Stadtwerke und die Kunden gewesen.

Familien hart getroffen
So vermischt sich vor allem in Landhausen der Ärger über den Aufwand und langen Zeitraum mit Erleichterung und einer gehörigen Portion Skepsis. Dietmar Haefs (43) aus Landhausen sagt, es habe zwar den Anschein, das Wasser sei jetzt einwandfrei. „Aber das hatten wir ja schon mal“. Bei der Abwägung, „können oder können wir nicht unbeschwert das Wasser trinken“, bleiben er und seine Gattin vorsichtig auch im Hinblick auf die Gesundheit ihrer beiden Kinder und behalten sorgsam die weiteren Messergebnisse im Auge.

Finanziell besonders hart getroffen hat es unter anderem die Familie Gilsbach-Selle an der Landhauser Dorfstraße. Nicht nur, dass die Familie vom Brechdurchfall gebeutelt war in Phase eins und zwei der Wasserverunreinigungen, auch Papagei Blue hatte sich bei der Wassereinnahme offenbar mit den Koli-Bakterien infiziert. Aus Vorsichtsgründen hatte Silke Gilsbach-Selle Mitte Januar einen Abstrich nehmen lassen und der Tierarzt hatte die Bakterien festgestellt. „Irgendwann wäre der 2000-Euro-Vogel tot von der Stange gefallen, wäre die Erkrankung nicht festgestellt worden“, so Silke Gilsbach-Selle zur teuren Behandlung. Die Gilsbachs sowie ihre Vögel tranken seit Ausbruch der Erkrankungen allesamt stilles Wasser und trauen auch heute dem Nass noch nicht. Zumindest die Vögel werden weiterhin mit stillem Wasser versorgt.

Ende der Durststrecke
In der Landhauser Turnhalle hatten sich Eltern und Schüler der Klasse 1 a der Brabeckschule am Samstagnachmittag zu einem gemütlichen Beisammensein eingefunden, als sie mit der Aufhebung des Abkochgebotes konfrontiert wurden. „Endlich das Ende der lästigen Durststrecke“ oder „endlich ohne stilles Wasser und Abkochen wieder in den normalen Alltag zurück“, war unisono zu hören. Mitglieder aller anwesenden Familien waren über die Feiertage an Durchfall erkrankt und alle sind heute noch sauer rückblickend auf die vergangenen rund zweieinhalb Monate. „Nervig, zeitaufwendig und teuer“, so Marcel Kirchner, sei das Abkochen des Wassers bei vier Personen im Haushalt gewesen. Die „Es-könnte -sein-Aussagen“ der Stadtwerke immer wieder hätten ihn gestört und keiner wisse, ob sich das Dilemma nicht in Kürze wiederhole, so der 35-jährige Familienvater.

Über 200 000 Euro Kosten
„Wir werden weiterhin stets ein wachsames Auge auf das Trinkwasser haben“, kündigte Dieter Gredig an. In enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt werden die Stadtwerke die tägliche Probeentnahme in Becke und Landhausen noch mindestens eine Woche aufrechterhalten. Danach folgt der Übergang in einen wöchentlichen Probeentnahme-Rhythmus.

Über 200 000 Euro hat der Störfall die Stadtwerke bereits gekostet. Etwaige Schadensersatzansprüche oder Kulanzregelungen sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Quelle: DerWesten.de - Ralf Engel und Ulrich Töpel